Was, wenn Reisen nicht so harmlos ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint? Welche Auswirkungen hat das Reisen auf meine Umgebung? Wie nehme ich Reisen intensiver wahr?
Dazu haben respect_NFI und ECPAT Österreich in der gemeinsamen Kampagne #ReisenMEHRerleben Persönlichkeiten aus den Bereichen Journalismus, Kinderschutz, Mobilität, Frauenpower, Freiwilligen-Tourismus und der Bewusstseinsbildung interviewt. Sie alle teilen mit uns persönliche Reise-Erlebnisse sowie ihr Wissen zum Thema und zeigen auf, wie wir achtsamer die Welt entdecken können und wie Reisen zu einer Bereicherung für uns, unsere Umgebung sowie die Menschen, die in der Branche arbeiten und in den Destinationen leben, wird.
Die Kampagne wurde vom Bundeskanzleramt (Sektion VI – Familie und Jugend) und vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft sowie von der Österrichischen Entwicklungszusammenarbeit gefördert.
Reisen MEHR Erleben: Bewusstseinsbildung –
Persönliche Eindrücke von MARIA KAPELLER, Autorin des Buches “Lovely Planet”
Maria Kapeller ist freie Texterin, Autorin und Reisejournalistin und hat auf der Paris-Lodron-Universität Salzburg Kommunikationswissenschaft studiert. Die Salzburgerin ist Gründerin des alternativen Online-Reisemagazins „kofferpacken“ und hat 2022 das Buch „Lovely Planet – Mit dem Herzen reisen und die Welt bewahren“ veröffentlicht. Die Langsamreisende aus Leidenschaft setzt sich in ihrem Buch mit grundsätzlichen Fragen über das Reisen auseinander. Sie spricht mit Expert*innen über Ressourcenverschwendung und soziale Ungleichheit, über inneres Wachstum und Zufriedenheit.

Gab es ein außergewöhnliches Erlebnis auf Reisen, das du erlebt hast, weil du auf Augenhöhe gereist bist?
So viele! Und diese bleiben mir meistens am besten in Erinnerung. In Marokko haben meine Schwester und ich einen jungen Studenten im Zug kennengelernt. Da er ein paar Monate später zum Studieren nach Berlin zog, verbrachte er Weihnachten dann bei unserer Familie in Oberösterreich. In Sofia habe ich bei einem Couchsurfing-Treffen eine Studentin kennengelernt. Sie hat spontan bei mir in der Ferienwohnung übernachtet, da sie zu später Stunde keinen Bus mehr in Richtung Stadtrand hatte. Wir haben die halbe Nacht geplaudert und sie hat mir am nächsten Tag ihre Stadt gezeigt. Seither sind wir befreundet.
Magst du von einem Erlebnis erzählen, das entstanden ist, weil du dich vor der Reise ausführlich mit Land und Leuten auseinandergesetzt hast?
Ich bin in den Jahren, in denen Griechenland in einer enormen wirtschaftlichen Krise war, immer wieder dorthin gereist. Mich hat interessiert, wie es den Menschen vor Ort wirklich ging, und zugleich wollte ich das Land unterstützen. Dabei sind viele schöne Begegnungen entstanden, etwa ein Interview für meinen Reiseblog kofferpacken.at mit einem Gastwirt oder ein gemeinsames Abendessen mit einer jungen Griechin, die mir über ihre schwierige Situation erzählt hat.
Sie meinte nachher, das Zuhören hätte ihr gut getan und sie sei froh, sich ihre Sorgen von der Seele geredet zu haben. Für uns beide war es ein schönes Erlebnis, uns auf diese Weise austauschen zu können.
Ein Erlebnis im Zusammenhang mit nachhaltigem Tourismus?
Ich bin letzten Herbst einen fünftägigen Weitwanderweg in Kärnten gegangen, bei dem man von Hütte zu Hütte wandert. Eine der Tagesetappen schien mir dann doch zu anspruchsvoll für mich. Und so bin ich nach einer Stunde umgekehrt, einen ganzen Tag lang zurück ins Tal gelaufen, habe spontan in einem großen, sehr in die Jahre gekommenen Hotel übernachtet und bin am nächsten Tag ein Stück weit mit dem Zug gefahren und zur letzten Hütte von der Talseite aus gewandert. Es war zwar ein ziemlicher Umweg, aber trotzdem möchte ich das Erlebnis nicht missen und werde weiterhin gern Weitwanderwege absolvieren – für mich eine der nachhaltigsten Reiseformen.
Dein Buch „Lovely Planet“ regt dazu an, mit dem Herzen zu reisen und die Welt zu bewahren. Wie wird es uns in Zukunft gelingen, bewusster zu reisen, und welche großen Fragen müssen wir uns dabei stellen?
Für dieses Herzensprojekt habe ich mich auf eine gedankliche Reise begeben, Fakten recherchiert, Geschichten erzählt und vor allem Fragen gestellt. Gemeinsam mit meinen Interviewpartner*innen habe ich nach möglichen Antworten gesucht: Warum reisen wir so maßlos? Was macht dieser regelrechte Reise-Hedonismus mit uns? Wie geht es unserem Planeten damit? Und, vor allem, wie können wir es in Zukunft besser machen?
Entstanden ist dabei weder ein Reiseführer, noch ein Ratgeber und schon gar keine Inspirationsquelle für angebliche Must-Sees. Sondern ein Werk, das versucht, ganzheitliche und neue Perspektiven auf das alte Sehnsuchtsthema Reisen einzunehmen. Als roter Faden gilt die Frage: Wie kann es gelingen, von unserer hedonistischen zu einer sinnstiftenden Art des Reisens zu gelangen?
Online-Reisemagazin von Maria Kapeller: https://www.kofferpacken.at/welt/
Reisen MEHR Erleben: Mobilität –
Persönliche Eindrücke von CHRISTOPH MÜLLEDER, Gründer von Weltanschauen
Dr. Christoph Mülleder wohnt im beschaulichen Gallneukirchen im Mühlviertel. Er hat in Linz Betriebswirtschaftslehre studiert und den Studiengang Europäische humanitäre Hilfe in Belgien und Deutschland absolviert. Von 2012 bis 2021 organisierte Christoph in Kooperation mit einem steirischen Reiseveranstalter rund 120 sozialverträgliche und ökologische Reisen mit ca. 2.600 Teilnehmer*innen. Der Wunsch, sich selbst als Veranstalter zu etablieren, wurde im Laufe der Jahre größer und nach bürokratischen Hindernissen meldete er sein Unternehmen Weltanschauen Anfang 2022 als Reiseveranstalter an. Neben seiner Tätigkeit im Tourismus arbeitet Christoph als Projektreferent bei der Caritas in der Internationalen Hilfe.

Was ist das Besondere an deinen Reisen?
Ich lege großen Wert darauf, „terran“, also erdgebunden, zu reisen. 2022 habe ich ausschließlich Reisen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Landweg erreichbar sind, ausgearbeitet. In den vergangenen Jahren flogen wir nur in Länder wie Uganda, Kuba, Iran oder Armenien – die meisten Reisen waren immer schon terran. Gefreut hat es mich, dass auf einer Reise nach China 50 Prozent der Gäste mit dem Zug angereist sind und bei einer Reise nach Georgien sogar zwei Drittel. Nach Hause ging es dann per Flugzeug. Die Anreise meiner Touren ist bereits ein Teil der Reise und der oder die Reiseleiter*in bzw. ich empfangen die Reisenden am Abfahrtsort in Österreich.
Außerdem ist Sightseeing nur ein Teil unserer Weltanschauen-Reisen. Genauso wichtig sind mir Treffen mit Menschen, die im sozialen, ökologischen oder politischen Bereich aktiv sind und die etwas zum Besseren verändern wollen. Wir besuchen auf Reisen unterschiedlichste Projekte, die spannend und bereichernd sind sowie Zusammenhänge komplexer Vorgänge für Laien sichtbarer machen.
Was hat dich bewogen, Reisen auf dem Landweg anzubieten und Weltanschauen zu gründen?
Mit den Jahren bin ich ein „Zugfreak“ geworden. Als meine beiden Töchter noch im Kindesalter waren, bin ich viel Auto gefahren. Ihnen wurde jedoch leicht schlecht und es war insgesamt meist anstrengend. Mit der Zeit merkte ich, dass Bahnfahren für uns viel entspannter ist und meine Töchter eine Fahrt mit dem Nachtzug als Abenteuer sahen. Hinzu kam das wachsende Bewusstsein über die globalen Auswirkungen der Klimakrise. Auch ich kann ein „Change Maker“ sein und durch meine Reisen etwas bei Menschen bewirken und verändern.
Da ich bereits vor 2012 in meiner Funktion als Leiter der Auslandshilfe für die Caritas in Oberösterreich Reisen in unsere Projektpartnerländer plante, entdeckte ich in dieser Zeit meine Leidenschaft für das Organisieren, Recherchieren und das Begleiten von Gruppen.
2011 wollte ich einmal innehalten und war in Bildungskarenz. Während dieser Zeit nahmen meine Ideen im Kopf wirtschaftliche und strukturelle Formen an. Da Reisen aber nicht das Kerngeschäft der Caritas ist, blitzte ich beim damaligen Leiter mit meinem Vorschlag ab, eine eigene Firma in der Caritas zu etablieren. So kam es zur Geburtsstunde von Weltanschauen.
Wie kann ich mir eine „terrane“ Reise nach China vorstellen, wie waren die Rückmeldungen deiner Kundinnen und Kunden?
Bei unser China-Reise fuhren wir mit dem Zug nach Moskau, um die Stadt näher kennenzulernen. Nach einer Nacht im Hotel ging es mit der Transsibirischen Eisenbahn vier Tage lang weiter an den Baikalsee, wo wir eine weitere Nacht im Hotel verbrachten. Das letzte Stück nach Peking dauerte nochmals ein paar Tage.
Wir gaben dem für Tourist*innen ausgestatteten Zug „Zarengold“ einen Korb und fuhren mit der klassischen Transsibirischen Eisenbahn, die mehrheitlich von den Einheimischen benutzt wird. Die meisten Gruppenteilnehmer*innen übernachteten in 4er-Abteilen, manche in 2er-Abteilen. Andere wollten in der billigsten Kategorie nächtigen, einem Großraumwaggon mit gefühlt 60 Liegen und viel Möglichkeit, mit den anderen Mitreisenden in Kontakt zu kommen.
Am Anfang der Reise machte sich eine natürliche Unsicherheit bei den Reisenden breit. Wie sind die hygienischen Bedingungen? Was mache ich den ganzen Tag?
Anders als in Europa, wo man leider nicht in der Lage ist, verstopfte und verschmutzte Toiletten während der Fahrt zu reinigen, gibt es bei einer Fahrt mit der Transsib für jeden Waggon ein Team, welches sich auch für solche Fälle zuständig fühlt, aber genauso für das Bordservice und die Fahrkartenkontrolle. Der Hygienestandard war also höher als in so manchem Zug bei uns.
Ich bin bereits dreimal mit der Transsibirischen Eisenbahn unterwegs gewesen und empfand es jedes Mal als ein unbeschreibliches Gefühl der Freiheit. Keinen Plan zu haben, keine Tagesstruktur, außer die Uhr täglich um eine Stunde vorzustellen und alle paar Stunden an den Bahnhöfen kurz auszusteigen und zu schauen, wirkten auf mich besonders entschleunigend. Bei jeder Reise fanden auch intensive Gespräche in der Gruppe statt und die Verständigung mit den Einheimischen, meist mit Händen und Füßen, zaubert mir noch heute ein Lächeln auf die Lippen. Lesestoff hatten die meisten zu viel mit.
Die Reaktion meiner Kund*innen, die im Schnitt zwischen 50 und 70 Jahre alt sind, ist vorwiegend positiv. Verspätungen, nicht funktionierende Toiletten oder eine kaputte Lüftung sind Risiken, die nicht ausbleiben. Einmal war der Schlaf-/Liegewagen defekt und die ÖBB konnte nur Sitzplätze als Ersatz zur Verfügung stellen. Meist läuft aber alles nach Plan und man hat eine bequeme Fahrt. Bei unseren Reisen herrscht eigentlich immer eine gute und soziale Gruppendynamik und meine Teilnehmer*innen vertreten zum Glück die Einstellung, dass Ungeplantes zum Reisen dazugehört und man sich darauf einlassen muss.
Mit meinem Angebot spreche ich Menschen an, denen eine ökologische Anreise, der geringe eigene Fußabdruck wichtig sind, und die eine Begegnung vor Ort mit der lokalen Bevölkerung suchen und wertschätzen. Oft ist es die erste Gruppenreise, die sie unternehmen.
Was bedeutet Kinderschutz im Tourismus für dich?
Kinderschutz ist in allen Lebens- und Arbeitsbereichen ein ungemein wichtiges Thema. Achtsamkeit, strenge, verbindliche, am besten gesetzliche Regeln und auch funktionierende Kontroll- und Sanktionsmechanismen sollen die Norm und nicht die Ausnahme sein. Die Ausbeutung und der Missbrauch von Kindern müssen quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und Kulturen geächtet sein.
Was wünscht du dir für die Zukunft?
Dass Menschen unseren einzigartigen Planeten mehr wertschätzen, die Politik strengere Rahmenbedingungen vorgibt und Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen abnehmen. Ich sehe Weltanschauen als Social Business. Ich will davon leben, aber ich will nicht damit reich werden. Ich will einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, der zur Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) beiträgt.
Weltanschauen https://www.weltanschauen.at/
Reisen MEHR Erleben: Kinderschutz auf Reisen – Persönliche Eindrücke von ASTRID WINKLER, Geschäftsführerin von ECPAT Österreich
Mag. Astrid Winkler ist seit 2001 im Bereich Kinderrechte & Kinderschutz tätig und engagiert sich als Geschäftsführerin von ECPAT Österreich für das Wohl der Kinder. Die gebürtige Steirerin hat in Ländern wie Kenia gearbeitet und studierte an der Universität Wien Soziologie in Kombination mit Politikwissenschaften, Psychologie und Kommunikationswissenschaften.

Gab es ein prägendes Erlebnis, welches dich dazu ermutigt hat, dich für Kinderschutz im Tourismus beruflich einzusetzen?
Ja. Ich war Anfang 20 und habe nach meiner Ausbildung im Tourismus – ich hatte eine Tourismusfachschule mit Matura abgeschlossen – u.a. im Reisebüro gearbeitet. Eines Tages kam ein Mann nach einer Thailandreise zu uns und hat sich überschwänglich bedankt für die tolle Beratung und den Hoteltipp. Schon am Weg zum Hotel sei er vom hoteleigenen Taxifahrer „beraten“ worden, wo er „young chicks“ finden könne. Die Fotos zeigten dann junge, thailändische Frauen/Mädchen auf einer Bühne, aufgereiht, und westliche Männer, welche die „Qualität ihrer Körper“ überprüften.
Da habe ich beschlossen, dass ich das nicht unterstützen werde. Ich habe dann dem Tourismus für eine Weile den Rücken gekehrt. Wieder eingestiegen bin ich 15 Jahre später, indirekt, als Projektkoordinatorin für ein EU-Projekt, in dem es um den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung im Tourismus ging. Das war auch der Beginn einer langjährigen, beruflichen Freundschaft mit und Bindung an das ECPAT-Netzwerk.
Welchen Mehrwert hat eine Reise, wenn bei Unternehmen gebucht wird, die den internationalen Kinderschutzkodex „TheCode“ unterzeichnet haben oder in Hotels mit Kinderschutzkonzepten genächtigt wird?
Unternehmen, die dem internationalen Kinderschutzkodex „TheCode“ beigetreten sind, haben sich mit der Thematik „sexuelle Ausbeutung von Kindern“ intensiv auseinandergesetzt. Sie sind sensibilisiert und haben sich entschieden, aktiv zum Schutz der Kinder im Tourismus beizutragen, zum Beispiel durch konsequente Schulungen der Mitarbeiter*innen sowie entsprechende Klauseln betreffend Kinderschutz in Verträgen mit Leistungsträgern in der Destination. Leider machen sich noch zu wenige Hotels, auch in Österreich, Gedanken über Kinderschutz bzw. die Notwendigkeit eines Kinderschutzkonzeptes. Dies betrifft insbesondere Hotels, die einen Schwerpunkt im Bereich Familien und Kinder mit entsprechenden Programmen und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder setzen.
Eltern machen sich viele Gedanken, um die richtige Kinderbetreuung insbesondere im Alltag (Krabbelstuben, Kindergärten, Schulen) zu finden, bedingt durch die zunehmende Sensibilisierung der Gesellschaft für Gewalt an Kindern. Es zeigt sich bereits, dass Eltern auch die Qualifikation von Kinderanimateur*innen und sonstigen Betreuungspersonen in Hotels mit Schwerpunkt Kinderbetreuung stärker hinterfragen.
Hier sollten sich entsprechende Hotels folgende Fragen stellen: Welche Ausbildung hat das Kinderbetreuungspersonal zum Beispiel in einem All-Inclusive-Club am Meer oder einem Kinderhotel in den Bergen? Wurde ein polizeiliches Führungszeugnis verlangt? Gibt es einen Verhaltenskodex für die Personen, die mit Kindern arbeiten? Gibt es ein Prozedere für die Meldung von Vorfällen sowie für Intervention bei einem entsprechenden Anlass, z.B. einem Fehlverhalten gegenüber einem Kind?
Einige wenige Hotels haben sich aber bereits bei uns dazu beraten lassen. ECPAT Österreich unterstützt und berät seit bald 15 Jahren Organisationen und Unternehmen bei der Entwicklung eines Kinderschutzkonzeptes.
Ich bin überzeugt, dass künftig Unternehmen, die Mitglied beim internationalen Kinderschutzkodex sind bzw. Kinder- und Familienhotels, die ein Kinderschutzkonzept vorweisen können, einen Wettbewerbsvorteil haben werden.
Was ratest du Reisenden, die unsicher sind, ob das Gesehene eine Straftat ist?
Ganz wichtig: Es ist nicht Ihre Aufgabe zu entscheiden, ob es sich um eine Straftat handelt!
Seien Sie aufmerksam und verschließen Sie sich nicht, auch wenn Sie eine ungute Situation beobachten. Setzen Sie Schritte, zum Beispiel in folgenden Situationen: Fehlt eine natürliche Vertrautheit, gibt es sprachliche Barrieren, zeigt das Kind Angst und fühlt es sich unwohl – das sind Indizien, die darauf hinweisen, dass es sich um keine „normale“ Eltern- bzw. Erwachsenen/Kind-Beziehung handelt.
Die inneren Alarmglocken sollten auch läuten, wenn jemand mit Minderjährigen prahlt, Fotos zeigt, Tipps gibt, wo diese zu finden sind. Dazu gehören auch Hinweise auf Webseiten, Chats oder ein Post auf Social Media. Auf der Website www.nicht-wegsehen.at können Sie rund um die Uhr eine Meldung abgeben. Dabei geben Sie an WAS, WO und WANN Sie etwas beobachtet haben und WER die beteiligten Personen waren. Haben Sie keine Angst vor vermeintlich falschen Beschuldigungen: Ihre Angaben werden von uns sorgfältig geprüft – es hilft uns daher, wenn wir eine Kontaktadresse vorfinden, wo wir nachfragen können.Wird eine Straftat an uns gemeldet, leiten wir diese zur Prüfung an die Strafverfolgungsbehörden weiter.
Hast du auf Reisen selbst brenzlige oder zweideutige Situationen erlebt?
Während meiner Tätigkeit in Kenia habe ich im touristischen Umfeld an der Küste zahlreiche Situationen erlebt, wo sehr junge Frauen bzw. Mädchen an Bars gewartet und von Touristen angesprochen wurden. Oder auch Strandsituationen. Manchmal habe ich die Männer selbst angesprochen und sie auf die strafrechtliche Relevanz ihres Tuns, auch im Heimatland, aufmerksam gemacht. Oft habe ich auch die Hotelleitungen oder eine NGO informiert, die aufsuchende Arbeit in diesem Milieu gemacht hat, um die Mädchen zu informieren und zu motivieren, an einem Ausstiegsprogramm teilzunehmen.
Das Nicht-Wegsehen rettet Leben. Wie viele Täter*innen werden dank Zivilcourage überführt?
Im Schnitt gehen pro Jahr 20 Meldungen ein. Von diesen Meldungen trägt ein Viertel zur Bekämpfung von sexueller Ausbeutung im Tourismus bei. Jede Meldung hilft, Kinder gezielter vor Ausbeutung und sexueller Gewalt zu schützen. Indem Sie mit Ihren Beobachtungen ein weiteres Puzzelteilchen liefern, unterstützen Sie uns dabei, das Phänomen genauer wahrzunehmen und helfen dabei, Täter*innen letztendlich zu überführen.
Meldeplattform Nicht wegsehen! www.nicht-wegsehen.at
ECPAT Österreich www.ecpat.at
Reisen MEHR Erleben: Volontariat –
Persönliche Eindrücke von ESTHER ORNIG, ehemalige Volontärin in Indien
Esther Ornig war 2019/2020 im Rahmen eines Freiwilligeneinsatzes mit „VOLONTARIAT bewegt – Eine Initiative von Jugend Eine Welt und den Salesianern Don Boscos” Volontärin im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh. Ursprünglich war ihr Aufenthalt für ein Jahr geplant, Corona durchkreuzte die Pläne und sie musste Hals über Kopf nach sieben Monaten das Land verlassen. In einer Betreuungseinrichtung half sie, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen Englisch und Mathematik zu lehren, war in der Kinderbetreuung tätig und engagierte sich auch bei weiteren Kleinprojekten im Land. Zurück in Österreich macht Esther ein Studium zur Gesundheits- und Krankenpflegerin.

Welchen Mehrwert hat ein Volontariat mit Kindern bei einer Aufenthaltsdauer von mindestens sechs Monaten, besser einem Jahr?
Um die komplexen Zusammenhänge zwischen Kultur und Religion zu verstehen und das Wissen, wie man in den unterschiedlichsten Situationen in der Gesellschaft adäquat reagiert. Außerdem ist die Wahrnehmung intensiver und man ist in der Lage, eine tiefgründige Beziehung zu den einzelnen Kindern aufzubauen. So habe ich beispielsweise während meines Aufenthalts Telugu, die zweite Amtssprache in Andhra Pradesh gelernt, um mich auf Augenhöhe mit den Menschen zu verständigen.
Um die Sprache zu lernen, bin ich mit den Kindern in der gleichen Schulbank gesessen. Das hat ihnen so gut gefallen, dass sie im Gegenzug viel ambitionierter waren, mit mir Englisch zu lernen. Für mich war es ein Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung und des Respektes.
Was war Deine Motivation für ein Volontariat mit Kindern?
Ich arbeite schon mit Kindern, seit ich 14 Jahre alt bin. Ich liebe es, Kinder in ihrer Entfaltung zu unterstützen, ihnen bei Problemen zu helfen, ihnen Vertrauen zu schenken. Als ich zufällig von der Möglichkeit, ein Volontariat zu machen, erfahren habe, dachte ich mir, das passt genau für mich. Es ist mir wichtig, gerade Kindern, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind, zu zeigen, wie wertvoll und wichtig jedes einzelne von ihnen ist.
Was ist bei einem Volontariat mit Kindern für wenige Wochen zu berücksichtigen?
Ist Zeit ein knappes Gut, empfehle ich, bei einem Volontariat mit Kindern im Heimatland zu beginnen. Bei welcher Organisation kann ich mich einbringen, wo kann ich Minderjährigen im eigenen Land helfen und sie unterstützen? Ist mir bei einem Volontariat eine fremde Kultur oder Sprache wichtig, helfe ich zum Beispiel Kindern mit Migrationshintergrund.
Es gibt so viele österreichische Einrichtungen, die sich über freiwillige Helfer*innen freuen. Zu bedenken gebe ich auch, dass sich die gegenseitige Eingewöhnungsphase und Routine im Normalfall erst nach mehreren Wochen einstellt. Der Großteil der Kinder fängt erst ab einer Aufenthaltsdauer von ca. vier Wochen an, Vertrauen zu schenken. Vor allem wenn Kinder Verluste erlitten oder Traumas erlebt haben, kann ein ständiger Wechsel der Volontär*innen mehr Schaden als Nutzen bringen.
Warum ist es besonders wichtig, den Kinderschutz im Freiwilligeneinsatz mitzudenken?
An oberster Stelle eines Volontariats steht immer das Wohl der Kinder. Um dieses zu gewährleisten, sollten nur Menschen, die bereits mit Kindern gearbeitet haben und Referenzen vorweisen können, ein Volontariat im Ausland andenken. Ein polizeiliches Führungszeugnis sollte Standard bei jeder Organisation sein, um nicht Straftäter*innen den Zugang zu Kindern zu erleichtern. Besonders wertvoll empfand ich die Vorbereitungswochenenden, in denen ich auf schwierige Situationen und mögliche Gefahren im Einsatzland sensibilisiert wurde und gelernt habe, mit diesen umzugehen.
Volontariat bewegt https://www.volontariat.at/
Reisen MEHR erleben: Frauen-Power – Persönliche Eindrücke von ULRIKE RETTER, Geschäftsführerin Retter Bio-Natur-Resort
Ulrike Retter ist seit 1993 Geschäftsführerin und Miteigentümerin des Bio-Natur-Resort Retter in Pöllauberg in der Steiermark. Das Hotel hat sich über Jahrzehnte aus einem kleinen Bauernhof entwickelt, der schon 1886 bestand. Und auch heute noch wird hier im ans Hotel angeschlossenen Bio-Gut Landwirtschaft betrieben. Das Hotel wurde heuer bereits zum 19. Mal zum „Besten Seminarhotel Österreichs“ sowie mit dem Hermes Wirtschafspreis in der Kategorie Klimaschutz ausgezeichnet. Es trägt zahlreiche Nachhaltigkeitsgütesiegel wie den Green Globe, Green Brand und das Österreichische Umweltzeichen.

Frau Retter, Sie sind eine von wenigen Frauen an der Spitze eines Tourismusbetriebes. Wie ist es dazu gekommen?
Schon 1963 wurde von der Familie Retter ein Gasthof eröffnet, der von meinem Mann 1984 zum Seminarhotel mit 40 Zimmern und 12 Mitarbeiter*innen ausgebaut wurde. Ich habe 1993 in diesen Betrieb eingeheiratet und mein Mann hat sich dann immer mehr unserem Busunternehmen und unserem Reisebüro „Retter Reisen“ gewidmet, während ich den Hotelbetrieb weitergeführt habe, der inzwischen auf 116 Hotelzimmer gewachsen ist.
Wie fördern Sie selbst Frauen in Ihrem Betrieb?
80 unserer 120 Mitarbeitenden sind Frauen, und 55 von ihnen sind auch Mütter. Zu den gängigen Lehrberufen im Betrieb gehören Gastronomie-Fachfrau/-Fachmann sowie Hotel- und Gastgewerbeassistent*in. Da wir sehr viele Mütter angestellt haben, bieten wir flexible und familienfreundliche Arbeitszeiten.
Für die jungen Mädchen sind unsere Abteilungsleiter*innen und ich oft wie Eltern. Im Alter zwischen 15 und 19 Jahren ist es wichtig, die heranwachsenden Menschen fürs Leben zu stärken. Wir bemühen uns selbst, als Vorbilder zu agieren. Unseren Mitarbeiter*innen bieten wir bei Bedarf psychologische Betreuung im Haus an, die gerne in Anspruch genommen wird. Gerade die jungen Menschen brauchen Unterstützung. Manchmal sind sie Kinder aus Trennungsfamilien oder einem nicht stabilen Elternhaus. Hier ist es wichtig, Halt zu bieten und immer einen wertschätzenden Umgang im Team zu pflegen.
Wir schauen auch auf die Gesundheit unserer Mitarbeiter*innen. So bieten wir beispielsweise Rückengymnastik und Pilates kostenlos und Massagen mit 50 Prozent Ermäßigung bei uns im Hotel an. Mein Team und ich versuchen den Mitarbeiter*innen entgegenzukommen – etwa, wenn jemand in finanzielle Schwierigkeiten geraten sollte oder aus Überforderung innerhalb der Familie seine Lehre abbrechen möchte. Da schreiten wir ein und versuchen in Gesprächen mit der Familie oder auch gegebenenfalls finanziell zu unterstützen.
Was die jungen Menschen betrifft: Sie brauchen ein Gegenüber für Reibungsmöglichkeiten und Resonanz in ihrer Entwicklung. Und diese Reibung lassen wir gerne zu – manchmal einfach, indem wir hart in der Sache, aber weich zum Menschen sind. Das Wichtigste ist, dass unser Gegenüber spürt, dass er/sie uns nicht egal ist.
Wie kann Frauen-Power eine nachhaltige Tourismusentwicklung unterstützen?
Frauen haben einen anderen Zugang zu Nachhaltigkeit als Männer, sie sind umsichtiger und umsorgender. Frauen führen den Betrieb mehr aus dem Bauch heraus, und dadurch wohl auch sensibler gegenüber der Umwelt und den Mitarbeitenden.
Ihr Hotel wurde mit zahlreichen Gütesiegeln zertifiziert. Welche sind das und was zeichnen sie aus?
Wir wurden mit mehreren Gütesiegeln ausgezeichnet. Mit Green Globe, Green Brands, dem Österreichischen Umweltzeichen und vom TÜV. Green Globe ist der Weltmarktführer im Bereich Zertifizierung für nachhaltiges Reisen. Green Brands zeichnet Marken aus, die einen maßgeblichen Beitrag zum Schutz des Klimas, der Umwelt, der Natur, der Artenvielfalt sowie der Ressourcen leisten. Das Österreichische Umweltzeichen wird vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie verliehen.
Welche weiteren Maßnahmen zum Umweltschutz gehören in Ihrem Hotel zum Alltag?
Die Natur ist die Säule unseres Seins. Wir sind tief verwurzelt im Naturpark Pöllauer Tal, handeln bodenständig, transparent und fair und bleiben unseren Werten treu. So haben wir bei allen Erweiterungen des Betriebs auf Energieeffizienz und ökologische Baustoffe gesetzt. Unsere Landwirtschaft ist seit bald 30 Jahren bio-zertifiziert. Unser bewährtes Rezept in der Küche sind regionale Biolebensmittel mit Herkunft, Leidenschaft und Hingabe. Logische Konsequenz ist, dass wir unseren Gästen einen klimaneutralen Aufenthalt bei uns mit bestem Gewissen garantieren.
Wir haben auch ein Zeichen im Bereich zukunftsfähiger Mobilität gesetzt. 12 E-Autos stehen unseren Mitarbeiter*innen für Fahrgemeinschaften zur Verfügung. Getankt wird an unserer Photovoltaik-Anlage. Besonders stolz sind wir auf die 112 einheimischen, oststeirischen Mitarbeiter*innen, die aufgrund der Nähe ihres Wohnortes zu einem mehr als vorbildlich niedrigen CO2-Ausstoß bei der An- und Heimfahrt beitragen. Wir beziehen unseren Strom vom Bio-Masse Heizwerk. Ein optimiertes Energiekonzept mit Niedertemperatur, Deckenkühlung und -heizung hilft uns, 1 Mio. kg CO2-Ausstoß pro Jahr einzusparen.
Sind auch soziale Standards im Hotel ein Thema?
Selbstverständlich! Dazu gehört grundsätzlich ein wertschätzender Umgang mit allen Mitarbeitenden und auch ein psychologisches Angebot für unsere 20 Lehrlinge, wie auch schon oben ausgeführt. Wir beschäftigen auch 5 Mitarbeiter*innen mit einer Behinderung. Unsere Mitarbeiter*innen haben auch die Möglichkeit, an Kursen im Haus teilzunehmen. Wir freuen uns, wenn Lehrlinge die Angebote zum Korbbinden, Brotbacken, vegan Kochen oder Gemüsefermentieren in Anspruch nehmen. Aber auch Teamtrainings werden regelmäßig angeboten.
Derzeit bieten wir auch zwei ukrainischen Frauen Zuflucht, die kostenlos bei uns wohnen. Für beide Damen konnten wir eine Arbeitsgenehmigung bewilligen lassen. Ihre Töchter, die noch in der Ukraine leben, können somit unterstützt werden und auch ein Studium der großen Tochter ist so möglich.
Wenn Sie selbst reisen, auf welche Kriterien achten Sie im Ausland?
Ich bin selten unterwegs. Sehr gerne gehe ich segeln oder ich bin in Österreich Schi fahren.
Retter Bio-Natur-Resort https://www.retter.at/