Der Oman ist trotz seines trockenen Wüstenklimas Heimat für zahlreiche Wasservogelarten. Die 2092 Kilometer lange Küstenlinie mit vielen schroffen Klippen garantiert unzählige geschützte Nistplätze für Seevögel. Hier lassen sich Kormorane und Tölpel beobachten, unter ihnen auch der gefährdete Sokatra-Kormoran. An den einsamen und flachen Stränden im Süden des Sultanats tummeln sich hingegen viele Seeschwalben, verschiedene Mövenarten und andere Gesellen.

Zudem bevölkern auch Zugvögel auf dem Weg von Zentralasien nach Afrika temporär die südlichen Gefilde der Arabischen Halbinsel und somit den Oman mit seinen vorgelagerten Inseln.
„Khors“ sind weitere Feuchtgebiete und Habitate für Watvögel im ganzen Land.
Ein Khor ist ein Wassereinlass oder kleines Delta in einem flachen Küstenabschnitt. Die Größe eines Khors kann von wenigen Hektar bis zu mehreren Quadratkilometern variieren. Die meisten Khors haben seichte und schlammige Ufer und sind mit Brackwasser oder Meereswasser gefüllt, welches sich mit den Gezeiten in Tiefe und Ausdehnung verändert. Die Ufer der Khors sind mit Büschen, Schilf oder Mangroven gesäumt.

Der Vogelreichtum in den Khors ist entsprechend groß. Nistvögel bevölkern diese einzigartigen Zonen ebenso wie futtersuchende Besucher.
Auch in den Wadis hinter den Khors findet man oft Wasservögel, die an den
Süßwasserbecken der Wüstentäler ihr Glück bei der Nahrungssuche und Brutpflege suchen. Und nicht zuletzt gibt es im Oman auch noch einige kleine Oasen in den Weiten des zentralen Tieflandes und der Rub Al Khali Wüste.
All diese Habitate sind natürlichen Ursprungs und leider allzuoft von Menschenhand bedroht. Auch der Tourismus ist nicht unbeteiligt. Viele scheue Vogelarten sind bereits vor Picknick-Touristen und unachtsamen „Naturliebhabern“ geflohen. Wenn lokale Behörden dann ein Khor auch noch mit Laternen, Mauern und Gehwegen „verschönern“, ist die Zeit zum Abzug für unsere gefiederten Freunde gekommen. Einmal fort, kommen nur wenige Arten wieder zurück.
In Al Ansab jedoch ist alles anders. Dort hat die Menschenhand ein künstliches Vogelreservat geschaffen. Es ist kein neu gestaltetes Khor und auch kein künstlicher Nistplatz am Meer. Al Ansab ist… Muskats Kläranlage. Ich vernehme jetzt großes Staunen. Kläranlage, Fäkalienbecken, Wasservögel – wie passt das zusammen? Ich will es erklären.

Angeschlossen an Al Ansab STP (Sewage Treatment Plant) ist ein riesiger künstlicher Teich. Das geklärte Wasser wird dort eingelassen und hat ein Biotop mit Büschen, Schilf und Wasserpflanzen entstehen lassen. Natürlich bevölkern auch Insekten und Amphibien diese künstliche Oase. Das Al Ansab Kläranlagen-Vogelparadies ist etwa 20 Hektar groß und hat eine Wasserfläche von über 4 Hektar. Gut 50% der im Oman bekannten 500 Vogelarten wurden in dieser grünen Insel am Stadtrand Muskats bereits gesichtet. Der typische Kläranlagengeruch und eine nahe Autobahn stören das Federvieh nicht. Während draussen die Zufahrtsstrasse zur Anlage mit knallgelben Abwasserlastern übergeht, hocken drinnen am Ufer Kraniche und Enten unbeeindruckt im Schatten der Uferbüsche. Nahrung gibt offenbar im Überfluss.
Der Erfolg der Schaffung dieses Biotops hat sich im Oman und über die Grenzen hinaus bereits herumgesprochen. Kaum ein passionierter Vogelbeobachter lässt sich den Besuch von Al Ansab nehmen. Der Ökotourismus ist bereits in die Kläranlage eingezogen. Fantastisch! Die Betreiberfirma der Anlage hat auch eine Webseite installiert und bietet geführte Touren und den Verleih von Beobachterausrüstung an (http://www.haya.com.om/wetland/).
Omanische und ausländische BesucherInnen nutzen die Chance auf ornithologische Erlebnisse gleichermaßen. Auch Schulen in Muskat haben den Bildungsnutzen des Kläranlagenbiotops erkannt und organisieren Exkursionen dorthin.
Die enormen Abwassermengen in Muskat bringen die Kläranlage Al Ansab bereits an ihre Grenzen. Eine weitere große Anlage ist daher schon in Bau. Ich hoffe, dass auch dort wieder ein Vogelparadies wie in Al Ansab entstehen wird.
Beim Beobachten von Vögeln in der Natur bitte beachten:
- Großen Abstand halten und langsam bewegen
- Keine Kleidung mit grellen Farben
- Nicht durch Büsche oder Schilf kriechen – dort können Brutplätze sein
- Beobachten aus einem Fahrzeug ist teils besser als per pedes – Vögel erkennen Fahrzeuge nicht als Feind
- Nur vorgegebene Wege und Beobachtungsposten benutzen
- Feldstecher oder Spotting Scope und Teleobjektiv nicht vergessen
Empfohlene Literatur für einen Vogelbeobachtungstrip in den Oman: „Birdwatching Guide to Oman“ von Hanne und Jens Eriksen, Al Roya Publishing. Das Buch ist im Oman weitläufig bekannt und erhältlich.
