Im Was? In einem Gebiet, in dem eine besonders ausgeprägte Artenvielfalt durch zahlreiche Störfaktoren gefährdet ist. Denglisch – Biodiversitäts-Hotspot. Die Störungen des biologischen Gleichgewichts sind meist von einer Spezies verursacht: Dem Homo-Sapiens, wie man uns so nennt. Dass es Interessenkonflikte gibt ist verständlich in einer Region, wo auf einem Quadratkilometer durchschnittlich etwa Tausend Menschen siedeln. Manche Tierarten halten sich im Bewusstsein. Der Stolz Bengalens, der Königstiger, schafft es regelmäßig in die Medien. Schließlich ist er das Wappentier Indiens. Und als Tourist hat es gar etwas Abenteuerliches, den Jeep bei einer Safari nicht verlassen zu dürfen aus Gefahr vor einer Attacke. Tigerangriffe auf Touristen sind selten, da sind Elefanten und Nashörner schon eine größere Bedrohung. Aber viele Leute wohnen am Rand von Waldgebieten und die Siedlungsflächen schneiden immer tiefer in die Wanderrouten der Wildtiere ein. Entsprechend sind tierische Besuche in vielen Dörfern Alltag. Und Kämpfe „Auge um Auge“ sind keine Seltenheit – Angst hat eigene Gesetze.
Aber Biodiversität erschöpft sich nicht in den prominenten Großtieren. Diese machen im Gegenteil nur einen verschwindenden Teil aus. Bei uns ist regelmäßig Biodiversität in und ums Haus hautnah erlebbar. Der Frühlingsanfang ist die Zeit der Libellen. Nicht die schönen bunten, wie ich sie aus meiner Jugend erinnere, sondern eher farblose. Diese versammeln sich am Abend an den Lichtquellen – tausendfach. Da ist es ratsam, während der Heimfahrt den Mund und im Haus die Türen und Fenster geschlossen zu halten. Gegen Stechmücken helfen neben Moskitonetzen an Fenstern und über dem Bett auch chemische Hilfsmittel. Ob elektrische Verdampfer für die Steckdose oder als Creme zum Auftragen auf die Haut, alles besser als gestochen werden. Und es hilft: die Anti-Juckreiztube ist immer noch prall gefüllt. Zwei Kollegen berichteten, dass es früher viel extremer gewesen sei. Und nicht nur hinsichtlich der Mücken, überhaupt kreuche und fleuche weniger Getier umher. Da haben wir also noch Glück – quasi.
In Darjeeling bin ich Teil eines Programmes, das sich dem Schutz des Himalaya-Salamanders verschrieben hat. Auch dessen Lebensraum – kleine Weiher und Tümpel – schwindet. Kanalisation verlagert Wasserläufe und in einem trockenen Tümpel brütet kein Ungeziefer – wieder weniger Stiche also. Damit geht dem niedlichen Salamander nicht nur der Lebensraum, sondern auch die Nahrung aus. Dieses Schicksal teilt er mit anderen Kriechtieren, die sich von Insekten ernähren. Und so müssen die Vögel ein paar Extra-Runden fliegen, bevor sie was in den Schnabel kriegen. Die kleinen Raubtiere müssen ein bisschen länger suchen, bis sie ein schmackhaftes Flugtier finden. Und die Tiger pirschen ein paar Extra-Kilometer, um Jagdwild zu sichten. Dafür haben sie aber weniger Mückenstiche.
Ehrlich -Wer hat sich noch nicht beschwert, wenn im seinem Zimmer des Nachts zu viele und zu ekelhafte Besucher zu Gast waren: Ameisen, Kakerlaken, Tausendfüsser. Besonders in abgelegenen Gebieten, oftmals Zielort von Wildlife-Urlauben, sind derartige Zimmergenossen keine Seltenheit. Der Kunde ist König, und welcher Hotelier würde sich nicht in seiner Ehre gekränkt, gewissenhaft um etwas mehr „Ungestörtheit“ in seiner Herberge bemühen. Und so gibt man dem Gast service-beflissen neben den Mückennetzen oftmals eine chemische Keule zur Hand oder weist sein Personal im Umgang mit derselben an. Wie sonst soll der Gast nach geruhsamer Nacht am nächsten Morgen ausgeschlafen und zufrieden zur Safari gehen. Ohne Mückenstich, genau wie der Tiger. Dass der sich immer seltener blicken lässt, erhöht die Exklusivität des Urlaubsvergnügens. Wenn die edle Großkatze sich irgendwann garnicht mehr blicken lässt, bleibt dem Tierfreund ein Ausweichprogramm: In Wien werden jedes Jahr die Glühwürmchen gezählt. Auch eine bedrohte Art. Wie ich jetzt verwunderten Indern meine Begeisterung für Schmetterlinge glaubhaft vermitteln soll, da bin ich nach wie vor ratlos.