… fliegt First Class er nach Mombasa. Ich muss zugeben, dass ich mir den Titel bei der Ersten Allgemeinen Verunsicherung (EAV) abgeguckt habe. Als ich vor zwei Monaten im Flugzeug nach Nairobi saß, schoss mir irgendwann auch dieser Ohrwurm der Rock- und Klamaukbarden ins Gehirn. Mombasa sollten meine Freundin Daranee und ich zwar nicht kennenlernen, aber auch wir waren wie der „Massa“ unterwegs zur Großwildjagd in Kenia. Ausgerüstet mit Kameras und einem ultralangen Teleobjektiv sollte es schon gelingen, den einen oder anderen Elefanten zu erlegen.
Wir waren beide vor unserer Reise noch nie in Kenia und hatten auch kaum eine Vorstellung, wie der Großwild-Tourismus dort von statten gehen würde. Zum Einlesen war auch keine Zeit mehr, da ich unsere Flüge erst 4 Tage vor Abflug buchte. Grund für die Kurzreise aus heiterem Himmel war einfach nur ein Superangebot für Muskat – Nairobi und retour. Die Abenteuer-Safari im Land arrangierte ich zielbewusst übers Internet nach dem Motto „Ich schreibe drei Touranbieter an und wer als erster antwortet, macht das Geschäft“. Auch das funktionierte prima.
Wir wurden nach unserer ersten Nacht in Ostafrika mit Riesenlächeln und „Jamboo, Weeeelcome tooo Africaaa“ von unserem persönlichen Großwildjäger-Guide Moses empfangen. Ganz konnte ich seine zur Schau gestellte Freude jedoch noch nicht teilen. Es regnete in Nairobi schon frühmorgens aus allen Wolken. Wir konnten nur auf die Gnade des afrikanischen Wettergottes für uns Bleichgesichter hoffen.

Tatsächlich! Kaum waren wir über das Randgebirge des Großen Afrikanischen Grabenbruchs in 2200 Meter Höhe hinweg, klarte es schlagartig auf. Der Blick in die dahinter liegende Hochebene war grandios. In der endlosen Steppe waren nur vereinzelt Häuser oder kleine Siedlungen zu sehen. Ich erträumte förmlich die Elefantenherden beim Blick in das Rift Valley. Die langsame Fahrt hinunter entlang des LKW-überladenen transafrikanischen Highways führte uns nach insgesamt 3 Stunden zum ersten Ziel, dem Lake Naivasha Nationalpark. Moses warnte uns, dass es dort möglicherweise ein wenig touristisch sein würde. Auweia, ich sah uns bereits mit Massai-Tänzern fürs Fotoalbum im Kreis springen. Hakuna matata… No Problem.

Das einzig touristische waren dort jedoch nur Touristen selbst, und nicht einmal viele. Kein Massai, kein Tanz, kein Menschenfresserkochtopf. Ich war wieder beruhigt. Nach einer langsamen Bootsfahrt durch Herden von Nilpferden in den seichten Wassern des Steppensees gingen wir schießlich zur ersten Safari an Land. Es war eine sogenannte „Walking Safari“. Wir durften für eineinhalb Stunden mit einem lokalen Führer über die grasige Ebene südlich des Naivashasees wandern. Löwen und andere fleischfressende Bestien haben Touristen hier nicht mehr zu fürchten. Die hat der Massa mit seinen Freunden bereits vor Jahrzehnten zur Gänze erlegt. Der Lake Naivasha National Park ist dennoch, oder gerade deswegen, ein Tierparadies. Zebras, Giraffen und Antilopen haben hier keine natürlichen Feinde. Sollten sie sich zu sehr vermehren müssten sie jedoch von Menschenhand reduziert werden. Ich weiß nicht, ob das je notwendig wurde.Zu den großen Landtieren gesellen sich im Park noch 400 Vogelarten und zahlreiche Reptilien und Amphibien. Die wohlgemeinte Kritik einiger Tierschützer, dass die Fauna dieses und anderer Parks in Kenia durch den Tourismus gefährdet würde, will ich nicht ganz teilen. Ich hatte weder den Eindruck, dass sich ein Gnu beim Grasen gestört fühlte, noch irgendein Besucher lärmend über die Steppe wandelte. Die meisten Touristen bleiben ruhig. Sie fürchten sich vor der nahen Tierwelt mehr als umgekehrt. Unser Guide nahm zudem jedes noch so kleine Stückchen Papier oder Plastik, das er fand, wieder mit. Was ich während unserer Afrikareise wirklich anzuzweifeln begann, waren die Zoos in unseren heimischen Metropolen. Ich weiß nicht, ob ich den Schönbrunner Tiergarten je wieder sehen möchte. Etwas wirklich Positives konnte ich den Großstadtzoos der Welt ohnehin nie abgewinnen.

Die Probleme der afrikanischen Tierwelt sind nicht so sehr im Tourismus zu suchen. Kenia kämpft wie viele andere Staaten mit Wilderei und illegalem Tierhandel. Auch stetig wachsende Herden von Ziegen, Kühen und Schafen stellen besonders für Großkatzen eine Gefahr dar. Die Bauern legen trotz strenger Strafandohungen noch immer ihre Fallen aus, um kein Zuchtvieh an Löwen zu verlieren.
Selbst China wird zum Gefahrenfaktor für die Tierwelt in Afrika. Einige Länder haben bereits riesige Landflächen für chinesische Plantagen verpachtet. Kenia hat sich bis dato geweigert. Daneben rühmt sich Medizin aus pulverisierten Nashörnern und eingelegten Löwenhoden noch immer besonderer Beliebtheit in ostasiatischen Apotheken.

Der Tourismus ist in Afrika vielmehr Schutzfaktor als Störfaktor. Moses erklärte uns sehr eingehend die Situation rund um Wilderei, Landwirtschaft, Tourismus und Schutzbemühungen. Kenia ist sich des touirstischen Potentials seiner Tierwelt und Nationalparks durchaus bewusst. Die Maßnahmen zum Schutz derselben sind teilweise rigoros. In Parks an der Grenze zu Tansania sind beispielsweise militärische Einheiten mit automatischen Waffen stationiert. Ihr Befehl ist klar: Wilderer werden schon bei Sichtung erschossen. Keine Gefangennahme, kein Prozess. Tansania hat bereits öfters dagegen protestiert. In Kenia bleibt man jedoch standfest. Es ist ein blutiger Erfolg, den man damit erzielt. Die Wilderei ist in Kenia aber enorm zurückgegangen. Moses erklärte uns weiter, dass seltene Arten wie Nashörner oder Geparden praktisch rund um die Uhr „bewacht“ werden müssten. Die Patroillen werden durch den Tourismus finanziert. Das bedeutet aber auch, dass der Schutz direkt von den Einnahmen aus Eintrittsgeldern der Nationalparks abhängt. Moses beklagte weiter, dass nach den politischen Unruhen der letzten Jahre die Wilderei wieder stark zugenommen hätte. Weniger Geld bedeutet sofort weniger Aufsicht. Die wachsende Arbeitslosigkeit und der Konflikt in Kenias Nachbarland Somalia spielen auch eine Rolle beim Wiederaufflackern der Wilderei.
Das Fehlverhalten vieler Touristen und ihrer Guides steht in keiner Relation zur Wilderei. Ich konnte in den Schutzgebieten Nakuru und Masai Mara dennoch viel negatives Auftreten beobachten. Wenn ein Fahrer beispielsweise eine Löwenfamilie findet, werden sofort per Funk alle anderen Fahrzeuge informiert. Was dann passiert, ist beinahe grotesk. Jeeps und Allrad-Minibusse fegen mit Vollgas über die löchrigen Steppenpisten in Richtung Löwengruppe. Dort angekommen, fahren manche Guides den Katzen beinahe über die Pfoten, damit auch Besitzer von Handykameras ihre Vollformatbilder von Simba bekommen. Das zu beobachten, störte uns wirklich. Sogar Moses musste eingestehen, dass er nur mit Widerwillen so nahe an Tiere heranfährt. Die meisten Touristen fordern dies jedoch und so fügen sich die Fahrer und Guides den Wünschen der Gäste. Hakuna Matata.
Die Parkregeln sehen anders aus als die Praxis: Mindestens 30 Meter Abstand müsste zu den Tieren eingehalten werden, keine Verfolgungsjagden, Geschwindigkeitsbeschränkung 40 km/h, Fahren nur auf genehmigten Pisten, Vorrang für alle Tiere, kein Lärm, etc.

Massas Foto- und Sensationslust hat viel von dem zu Fall gebracht. Verhaltenregeln werden zu oft ignoriert. Es ist eine Schande für uns Touristen aus westlichen Ländern. Nur eine Regel wird üblicherweise strickt befolgt: Kein Verlassen der Fahrzeuge; nicht einmal für einen Pinkelhalt. Hyänen, Löwen und andere hungrige Gesellen haben sich bereits an die vielen Autos in den Parks gewöhnt. Ein saftiger bierbauchiger Mitteleuropäer könnte aber leicht zum delikaten Frühstück für einen Koyoten werden, wenn der Massa nichtsahnend hinter einem Busch sein Geschäftchen erledigt. Das will kein Tourunternehmer riskieren.
Nach der ersten Leoparden-Verfolgungsjagt einigten wir uns mit Moses auf ein besseres Verhalten. Er war richtiggehend erleichtert, als ich ihn bat, Abstand zu halten oder dem Jagdaufruf seiner Kollegen einfach nicht zu folgen. Es zahlte sich letztendlich für uns aus. Wir waren oft mutterseelenalleine in der Weite der Masai Mara und beobachteten dramatische Kämpfe zwischen Büffelbullen, während 10 andere Fahrzeuge darauf warteten, dass ein schlafender Löwe endlich aufwachte.

Abschließend kann ich nur noch einmal an die Vernunft und Tierliebe der Reisenden plädieren. Es ist so einfach, sich an ein paar Regeln zu halten, der gefährdeten Fauna zuliebe. Wer spektakuläre Bilder haben möchte, sollte vielleicht in eine gute Kamera und ein langes Teleobjektiv investieren. Man muss nicht den „wilden Bestien“ bis an die Nasenspitze heranfahren. Ohne überheblich sein zu wollen – seht euch einfach meine Bilder an und denkt darüber nach. Es geht auch aus 50 Metern Entfernung und ohne Treibjagd. Hakuna Matata!
Kleine Checkliste für gutes Safari-Verhalten:
- Den Fahrer bitten langsam zu fahren.
- Den Fahrer bitten Abstand zu Tieren zu halten, auch wenn andere dies ignorieren.
- Den Fahrer bitten, an keinen „Treibjagden“ teilzunehmen.
- Den Fahrer bitten zu warten, wenn Tiere offensichtlich die Fahrpiste kreuzen werden.
- Kurze Aufenthalte bei besonderen Sehenswürdigkeiten, damit es zu keiner Fahrzeugmassenansammlung kommt.
- Den Fahrer bitten, auf Pisten zu bleiben und nicht ins Gelände zu fahren, um näher an Tiere heranzukommen. Nehmt euch Zeit – die Tiere kommen oft genug in eure Richtung.
- Keine Rufe oder Lärm um Tiere aufzuwecken oder deren Aufmerksamkeit zu erregen.
- Keine offenen Lebensmittel im Fahrzeug – der Geruch zieht nicht nur dreiste Affen an.
- Kein Füttern.
- Keine Müllentsorgung in den Weiten der Steppe.
- Dafür sorgen, dass ihr nicht nach einer Stunde eine Toilettenpause benötigt. Das Verlassen der Fahrzeuge ist in einigen Parks verboten und nicht ungefährlich.
- Meldung von groben Fehlverhalten anderer Fahrer oder Touristen direkt an die Parkverwaltung am Ende der Fahrt. Hält sich euer Fahrer nicht an eure Bitten, was kaum anzunehmen ist, solltet ihr es auch dem Veranstalter melden.
- In eine Kamera mit gutem Teleobjektiv investieren (mindestens 200mm Brennweite Vollformat-Äquivalent). Wenn möglich mit Image-Stabilisator. Es zahlt sich aus. Und, auf den Feldstecher nicht vergessen – ein 7×42 oder 10×50 ist ideal für Freihandbeobachtungen.
Nachlese: Massai Mara in Kenia – Der Untergang des Paradieses, Spiegel Online 2008

