Nach einem „Ausritt“ in den Eastern Shan State Myanmars (Bericht hier), bereise ich nun wieder den Mekong. Ich habe das letzte Teilstück meiner langen Tour in Angriff genommen – den Mekong entlang der nordostthailändisch-laotischen Grenze.

Mehr zufällig als gewollt übernachtete ich in den letzten Tagen in Homestay-Unterkünften. Das hat jedoch mehrere Vorteile: Es ist in der Regel billiger als im Hotel zu schlafen und man kommt viel leichter mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt. Meistens erhält man von der Familie, bei der man wohnt, auch viel bessere Informationen über die Umgebung eines Ortes. Angestellte eines Hotels haben einfach nicht die Zeit für intensive Gespräche. Besonders hier in Nordostthailand, auch Isan genannt, wird Homestay immer populärer. Da der Tourismus in dieser Region aber noch immer ein Mauerblümchendasein fristet, ist Homestay in vielen kleinen Orten die einzige Möglichkeit, zu einem Gästebett zu kommen.
Was ist nun Homestay wirklich?
Was ist nun Homestay wirklich? Ich habe vor 5 Minuten den Begriff „gegoogled“ und bin bei Wikipedia auf folgende Definition gestoßen: Kostenpflichtige Aufenthalte bei Gastfamilien werden als Homestay bezeichnet.
Und: Eine Gastfamilie ist eine Familie, die einen ortsfremden jungen Menschen für eine bestimmte Zeit im Rahmen eines Schüleraustausches, Auslandsstudiums oder einer Großveranstaltung (z. B. Weltjugendtag) aufnimmt. Gastfamilien tun dies in der Regel unentgeltlich und freiwillig, um Personen aus anderen Kulturen und Sprachräumen kennenzulernen, ihren Kindern den langersehnten Bruder-/Schwesterwunsch (auf Zeit) zu erfüllen oder einfach nur aus gutem Zweck. Teilweise (z. B. in Ländern mit hohen Lebenshaltungskosten) wird den Gastfamilien auch ein Zuschuss bezahlt, als kleine Entschädigung, der jedoch die Auslagen meist nicht deckt.Naja, eine typische Wikipedia-Definition eben, mit der ich nicht ganz zufrieden bin… Hier in der Mekong-Region gibt Homestay den Bewohnern von kleineren Dörfern endlich die Chance auch am Tourismus teilhaben zu können. Jahrzehntelang mussten Ortschaften zwischen Fluss und Reisfeld mit neidischen Augen das touristische Treiben in den großen Städten betrachten und konnten nur hoffen, dass manchmal ein Abenteurer auf ein Süppchen ins Dorf kam. Die Zeiten haben sich aber geändert. Mit der Unterstützung der lokalen Tourismusbehörden und einem guten Stück Selbstbewusstsein haben einige kleine Ortsgemeinschaften entlang des thailändischen Mekongufers begonnen, ihre touristische Entwicklung nicht mehr dem Zufall zu überlassen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Gemeinde Ban Si Gaai 18 Kilometer östlich der thailändischen Provinzhauptstadt Nong Khai. Ban Si Gaai liegt direkt am Mekong. Vor 5 Jahren hat das Dorf mit dem Homestay-Konzept begonnen und anfänglich auch Hilfe von der Tourism Authority Thailand (TAT) bekommen. Die behördliche Unterstützung ist mittlerweile eingeschlafen, aber es ist einer selbstlosen Dorfbewohnerin zu verdanken, dass man in Ban Si Gaai auch weiter an Homestay glaubt und daran arbeitet.

„41 von 300 Familien in zwei Katastralgemeinden beteiligen sich momentan aktiv an unserer Homestay-Initiative“, berichtet mir Frau Duangpaisri Nilkate. Sie ist Reisbäuerin und gleichzeitig Obfrau der Initiative in Ban Si Gaai. „Es ist oft nicht einfach, die Menschen im Dorf von der Sinnhaftigkeit des Homestay-Projektes zu überzeugen. Viele glaubten am Beginn, damit reich werden zu können. Als sie dann lediglich 2 oder 3 Nächtigungen pro Monat hatten, waren sie enttäuscht.“ Die tüchtige Obfrau hat es aber geschafft, fast alle Mitglieder der Homestay-Initiative bei der Stange zu halten und im Vorjahr begannen die Nächtigungen auch erstmals kräftig zu steigen. 2008 gab es in Ban Si Gaai fast 1000 Gäste, wobei manche mehrere Tage blieben. Der Preis für eine Übernachtung ist bei allen Familien gleich: 150 Baht (= 3 Euro) pro Person kostet die Unterkunft in einem Haus in Ban Si Gaai. Für die Verpflegung bezahlt der Gast noch weitere 50 Baht pro Mahlzeit, egal ob Frühstück, Mittag- oder Abendessen. In wirtschaftlich mageren Zeiten wie heuer sind diese Preise ein verlockendes Argument für eine Übernachtung bei einer Reisbauernfamilie.

„In der Trockenzeit ist der Wasserstand im Mekong sehr tief. Dann stellen wir am Ufer kleine Hütten auf und verkaufen Essen und lokale Waren, zum Beispiel Flechtkörbe oder Holzschnitzereien. Man kann in den Wintermonaten sogar im Fluss baden – der Mekong ist hier sehr ruhig und es gibt auch keine Strudel oder gefährliche Strömungen. Zwischen Jänner und April liegt auch ein alter Weg im Trockenen. Den können Touristen auf 5 Kilometern Länge mit dem Fahrrad befahren, gleich neben dem Wasser des Flusses.“ Frau Nilkates Schilderungen klingen einladend. Und sie fährt fort: „Für Kinder organisieren wir auch Wasserbüffelreiten und Ochsenkarrenfahrten. Die Sache mit den Büffeln ist aber nicht so einfach. Die Biester sind ganz schön stur und brauchen viel Training bis sie zum Reiten oder Karrenfahren geeignet sind. Wenn es mit den Büffeln nicht klappt, bleibt aber noch immer eine Fahrt mit einem Fischerboot auf dem Mekong.“ Selbst in der touristisch ruhigen Regenzeit gibt es Gründe, nach Ban Si Gaai zu fahren. Anfang September finden hier Bootsrennen auf dem Mekong statt. Dieses Highlight habe ich unglücklicherweise um zwei Tage verpasst. Schade.
Fast könnte man meinen, Ban Si Gaai sei die perfekte Welt für Homestay-Betreiber und Gäste. Leider kämpft die Dorfgemeinschaft in dieser scheinbar makellosen Idylle aber auch gegen das Monster der industriellen Zerstörung. Ich kann kaum glauben, was ich zu hören bekomme: „Zwischen Ban Si Gaai und Nong Khai gibt es eine riesige Schnapsbrennerei der Firma Thep Arunothai.“ erläutert Frau Nilkate, „Die lassen mit regelmäßiger Frequenz ihre Abwässer in den Mekong fließen. Das wiederum tötet die Fische in den großen Zuchtfarmen unseres Nachbardorfes. Dort lässt man die toten Fische zwar zu Dünger verrotten, aber wenn sie die stinkende Masse nicht loswerden, kippen sie sie ebenso gedankenlos in den Mekong.

Angeschwemmt wird das bestialisch riechende Zeug dann genau vor unserem Homestay-Dorf.“ Meine Gesprächspartnerin klingt nun richtiggehend zornig. Ich kann ihr den Ärger nicht übel nehmen. Ban Si Gaai ist nicht der erste Ort, in welchem ich mit der Bedrohung des Mekong konfrontiert werde. Die Schilderungen von Frau Nilkate lassen wieder meine Erinnerungen an die Probleme des Stromes in Chiang Saen, Chiang Khong, Luang Prabang, Kratie und all den anderen Orten wach werden. Ist es wirklich so schlimm um die Lebensader Südostasiens bestellt? Ich denke ja.
Homestay in Chiang Khan
Neben dem finanziellen Aspekt hat Homestay auch einen kulturellen Effekt auf Gast und Gastgeber. Gastfamilien lernen andere Kulturen kennen und der Gast selbst lernt die lokale Kultur und das Leben und die Arbeit der Menschen kennen. In Thailand werden die meisten Homestay-Unterkünfte zwar von Einheimischen frequentiert, aber für einen Großstädter aus Bangkok ist das lokale Dorfleben oft genauso neu wie für einen ausländischen Besucher.
Als ich vor wenigen Tagen ein paar Nächte bei der Familie Hanthanom in Chiang Khan am Mekong verbrachte, lehrte mir die Frau des Hauses, wie man diverse thailändische Süßigkeiten und Nachspeisen zubereitet.

Die Hanthanoms verkaufen vor dem Haus jeden Tag am Morgen und Vormittag verschiedene Leckereien an Schüler oder Leute, die zur Arbeit gehen. Auf die Homestay-Idee kam Herr Hanthanom erst vor wenigen Monaten, als er sich überlegte, was er mit drei Zimmern im Obergeschoß des antiken Holzhauses der Familie machen könnte. Dass seine Gäste nun die Familienbilder im Stiegenhaus betrachten oder mit Zahnbürste und Badetuch durchs Haus rauschen, stört das Ehepaar Hanthanom keineswegs.

„Ich höre mir gerne die Reisegeschichten meiner Gäste an und erzähle ihnen von der Geschichte Chiang Khans“, sagt der 65-jährige Herr Hanthanom, „Meiner Frau macht es wiederum richtig Spaß, die Leute mit Leckereien zu verwöhnen“. Ich fühlte mich von der ersten Minute an wohl im Huean Luang Prabang, so nennt der Hausherr sein Heim, da seine Familie aus Luang Prabang in Laos stammt. Er war jedoch viele Jahre nicht mehr in Luang Prabang und freute sich ungemein, als ich ihm am Laptop meine kaum 2 Monate alten Bilder der Weltkulturerbestadt zeigte.

Homestay hat ungemein viele Facetten. Familien, die Homestay anbieten, machen dies neben ihrer alltäglichen Arbeit und als Gelegenheit für zusätzliches Einkommen. Andere wiederum sehen es als Hobby in ihrer Freizeit oder Pension, wie die beiden Hanthanoms. Natürlich kommt es auch vor, dass im Laufe der Zeit aus so manchem Homestay-Anbieter ein Gästehausbetreiber wird. Aus drei Zimmern werden zehn und irgendwann gibt die Familie ihre alte Arbeit auf und steigt professionell in den Tourismus ein. In vielen Ortschaften habe ich auch Gästehäuser mit über 20 Zimmern gesehen, die sich noch immer Homestay nannten. Ob sie dies taten, weil es ein neuer populärer Begriff in der asiatischen Tourismusindustrie ist, oder ihr ehemaliges Homestay-Haus in ein Gästehaus mutierte, kann ich nicht sagen. Einige Reisende fragen sich dann verwirrt, was nun Homestay wirklich ist und ob ihre Unterkunft auch in diese Kategorie fällt. Gar nicht so einfach zu beantworten, oder? Für mich ist Homestay mehr als bloß ein kurzweiliger Trend. Homestay ist eine Chance für vernachlässigte Regionen, für Pro Poor Tourism und letztendlich auch eine Möglichkeit für den Reisenden, ein Land bewusster kennenzulernen. Man muss ja nicht den gesamten Urlaub mit Homestay verbringen. Ein paar Nächte würden aber so manche einseitige Reise ungemein bereichern und dem Touristen ungeahnte Einblicke in eine fremde Kultur geben.
Ich werde nächstens eine Weltreise machen. Unter anderem werde ich auch den Mekong von Tibet bis zum Delta durchreisen. Nun habe ich einige Fragen an sie. Könnten sie mich per E-Mail kontaktieren?
Ein Lob an ihre Berichte. Man kann sich vieles ihrer Reise lebhaft vorstellen! Fernweh pur!
Herzlichen Dank