
Ich bin vor drei Tagen wieder in Bangkok angekommen. Es sind zwar erst wenige Monate seit meinem letzten Besuch vergangen, dennoch vergleiche ich neugierig meine Erinnerungen mit den Veränderungen in Thailands Hauptstadt. Die Einwohnerzahl hat im Jänner offiziell die magische 10-Millionen-Grenze durchschlagen und bald wird wieder ein neues Teilstück der Hochbahn eröffnet. Nach Mitternacht ist nun der Verkauf von Alkohol in Supermärken verboten und spätnachts werden die riesigen Leuchtreklamen über den Dächern der Stadt abgeschaltet. Das sind Bangkoks Maßnahmen zum Jugendschutz und zur Energieeinsparung. Die Hektik und das Verkehrschaos sind jedoch unverändert geblieben.
Schon vor 20 Jahren hat der thailändische Liedermacher und Populist „Ed Carabao“ dogmatisch das Treiben der Städter zu einem Lied gemacht. „Meng Mau“ ist der Titel – „Fliegende Termiten“ heißt das frei übersetzt. Alljährlich im Mai fliegen Milliarden der Insekten aus, um neue Kolonien zu gründen. Leicht haben es die Termiten nicht in Bangkoks Betonhölle. Leckeres, morsches Holz ist selten geworden. Trotzdem erscheinen sie jedes Jahr zu Beginn der Regenzeit wieder. So wie Millionen von armen Nordostthailändern nach der Reisernte in die Stadt der Engel ziehen, um nach Arbeit zu suchen. „Meng Mau“ hat Ed Carabao diese Neuankömmlinge der Großstadt nicht ganz ohne Sarkasmus genannt.
Neben all diesen Menschen und Tieren gibt es aber noch die Geister der Stadt – „Thep“ heißen sie bei den Thais. Was ist im Labyrinth aus Straßen, Häusern und fliegenden Termiten wohl aus ihnen geworden? Ich hatte heute ein paar Stunden Zeit und begab mich auf die Suche. Zuerst muss ich aber noch die Beziehung der Leute zur Geisterwelt erklären:
Die Thais schätzen ihre Geister, mehr noch als die Magie der Lotteriezahlen. Das heißt was. Deshalb müssen die allgegenwärtigen Dämonen bei guter Laune gehalten werden. Dazu baut man ihnen hübsche kleine Geisterhäuser. Diese werden dann vor dem Eigenheim aufgestellt und die Geister jeden Tag mit frischen Blumen, Essen und Getränken versorgt. In Bangkok haben sogar Wolkenkratzer ihre Geisterhäuser, manche sind mehrere Meter hoch und mit glitzernden Goldfolien dekoriert. Bei soviel Sorge um das Wohl der unsichbaren Mitbewohner sollte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Dennoch passiert immer wieder Unerklärbares und Böses. Für die Thais ist daher klar: Die Geister müssen noch mehr besänftigt werden!

Diesen Zweck erfüllt der „Erawan-Schrein“, er ist Bangkoks Stadt-Geisterhaus. Täglich kommen tausende Menschen hier vorbei, um mit ihren Gaben und Gebeten beruhigend auf die Dämonen einzuwirken. Wer die Gebetstexte nicht kennt, kann sie von Tempeltänzerinnen vortragen lassen. Für 10 Euro Spende werden die Geister dann von vier Prinzessinen bezirzt.
Das Treiben rund um den Schrein ist fast mystisch. Die Luft ist erfüllt mit dem Geruch parfümierter Räucherstäbchen und der Klang religiöser Musik lässt den nahen Straßenlärm wie durch Zauber verschwinden. Trotzdem, Geister habe ich auch hier nicht gefunden. Gibt es sie denn wirklich? Ich glaube nicht.

Nach fast einer Stunde beim Schrein zog ich wieder los. Geister wollte ich heute keine mehr suchen, zuerst brauchte ich Abkühlung bei einem Eistee. Als ich so gedankenverloren zwischen den Hochhäusern dahinwanderte, stolperte ich beinahe über ein dunkles „Etwas“ auf dem Gehsteig. „Es“ lag vor mir ausgestreckt auf dem Beton und hatte eine Plastikschale vor dem Kopf. Ich fotografierte das seltsame Wesen und ging weiter. Da wieder – keine 50 Meter entfernt erblickte ich im Augenwinkel eine Tasse hinter einer Mauer hervorragen. Schnell noch ein Foto! Ich glaube, ich habe sie doch noch gefunden, die wahren Großstadtgeister Bangkoks…
Es wäre schön, wenn man ihnen soviel Aufmerksamkeit schenken würde, wie den unsichtbaren Geistern am Schrein.
Hallo Armin.
Ich habe viele sehr ähnliche Erfahrungen mit dem Umgang mit Bettelei gemacht, während ich in Indien war. Es ist für Außenstehende – und dazu zählen wir Reisende – oftmals schwierig zu unterscheiden, wann Geben sinnvoll und wann es kontraproduktiv (eines der Wörter, für die mir ein brauchbares deutsches Wort fehlt) ist. Meine Gedanken zum Thema sind eingeflossen in den Infocheck “Armut und Bettelei auf Reisen”, verfügbar unter http://issuu.com/agricolus/docs/infocheck_armut_und_bettelei
Schreib weiter!
Marcus