Bitte lächeln !

„So süß, darf ich ein Bild machen?“ Das blond umlockte Bleichgesicht unserer Tochter scheint in Indien ein Schönheitsideal zu sein. Nach ein paar Dutzend solcher Bitten, macht der Stolz irgendwann der Gewohnheit Platz.

Das Portrait mit dem freundlichem Lächeln hat auch der fotografierten Frau gefallen
Foto: Das Portrait mit dem freundlichem Lächeln hat auch der fotografierten Frau gefallen

Auf Unterhaltung bedacht, denken wir uns: „Wie du mir, so ich dir“ und schlagen frech einen Handel vor: Das Foto unserer Kleinen gibt es nur im Austausch gegen ein Foto vom Fotografen. Seit wir diese Tauschgeschäfte vorschalten, hat sich die Casting-Prominenz drastisch reduziert. Nur wenige Erwachsene möchten abgelichtet werden. Und plötzlich erklärt sich auch, warum in Reiseliteratur und Urlaubs-Blogs überwiegend Kinder und alte Menschen die Texte bebildern.

Es ist schlichtweg einfacher von diesen Gruppen gute Schnappschüsse einzufangen. Kinder lächeln oft und sind gerne Motiv. Und die Großeltern-Generation, falls es ihr nicht egal ist, ergreift selten Gegenmaßnahmen. Von einen Menschen im Alter zwischen zwanzig und fünfzig Jahren ein gutes Foto zu machen, ist allerdings eine Kunst. Vorausgesetzt, man verzichtet auf „Distanzwaffen“ in Form von 500 mm Teleobjektiven. Zwar ermöglichen diese schöne Aufnahmen, der Weg zum Motiv ist aber weit. Und zu dem muß man eigentlich, wenn man sich mit dem Gedanken trägt, das Foto kommerziell zu nutzen. „Als ich erfahren habe, dass mein Bild für viel Geld verkauft worden ist, bin ich wütend geworden“, erzählt mir ein Mädchen aus einer Stammesgemeinschaft in Kerala. Mit welchem Recht andere sich an ihr bereichern, ist ihre berechtigte Frage. Aber die Mittel, sich dagegen zu wehren, hat sie nicht. Der Anstand gebietet ergo den Gang nach Canossa – zum Fotografierten. Mittlerweile hat sich die Frage „Darf ich Sie fotografieren?“ bei uns eingebürgert. Und wir haben gelernt ein „Nein“ zu akzeptieren und das schöne Bild nur im Kopf abzuspeichern – mit der „Neuro-Cam“ quasi.

Teehändler am Strassenhand
Foto: Teehändler am Strassenrand

Indien macht es einem aber auch manchmal leicht. In touristisch prominenten Gebieten, beispielsweise in Darjeeling, ist es keine Seltenheit, dass man unverblümt den Preis für den Schnappschuss erfährt. „Ein Foto – 100 Rupees“. Im lokalen Kontext ist das eine stolze Summe. Im gedanklichen Wellengang zwischen „Das ist es allemal wert“ und „für Bilder bezahle ich höchstens Eintrittsgelder oder obligatorische Fotogebühren“, wählen wir als Ufer die zweite Variante. Ein Lächeln muss als Vergütung genügen. Und mit etwas Vorarbeit, z.B. einem netten Plausch am Teestand, bekommt man dann auch meist den Klick. Das Foto wird hinterher gemeinsam betrachtet, und wir entsprechen sofern möglich auch dem Wunsch einen Abzug desselben zu schicken. Der Beitrag zur Armutsbekämpfung durch Tourismus ist fürwahr gering. Eine Fotogebühr für die Abbildung lokaler Besonderheit oder Schönheit könnte effektiv Geld in unterpriviligierte Regionen und Haushalte bringen.

Ein Sadhu, ein hinduistischer Asket, vor einem Tempel während der Shiva-Wallfahrt
Foto: Ein Sadhu, ein hinduistischer Asket, vor einem Tempel während der Shiva-Wallfahrt

„Okay“, sagt der Sadhu, als wir es ablehnen, für ein Bild zu bezahlen. Und als er mit den Augen zwinkert, freundlich unser Lächeln erwidert und uns nach unserer Herkunft fragt, liegt unsichtbar über der Portraitaufnahme ein Stolz-Filter. Dass unser Beitrag zur Armutsbekämpfung sich allenfalls auf die Bereicherung der Region durch interessante Gespräche und freundliche Gesichter erschöpft, ist dann garnicht mehr so schlimm.

Ein Gedanke zu „Bitte lächeln !

Kommentare sind geschlossen.