ASA, Blende, Leitzahl und Co.

Fremde Menschen zu fotografieren ist nicht so einfach wie Blumen zu knipsen.
Blumen zu fotografieren ist einfacher als fremde Menschen abzulichten.

Marcus Bauer hat in seiner tourismlog-Geschichte “Bitte Lächeln” schon sehr schön und humorvoll die Probleme der Reisefotografie beschrieben. Menschen zu fotografieren ist eine Herausforderung. Es verlangt Respekt, Geduld und manchmal auch das Aufsichnehmen eines verärgerten „No photo, go!“ Nicht alle Menschen die lächeln, wollen auch fotografiert werden. Es macht da keinen Unterschied, ob man Tourist ist oder Journalist, ob die Kamera aus der Urzeit des Zelluloidfilms stammt, superklein ist oder ein 3-Kilo-Digitalmonster mit 20 Millionen Pixeln Auflösung. Das Ergebnis ist immer dasselbe. Wir dringen mit gezückter Touristenwaffe in die Privatsphäre unseres lebendigen Motivs ein und vergessen dabei allzuoft, dass es der auserkorenen Person vielleicht gar nicht so willkommen ist, als Musterbeispiel der Spezies Homo Fotogenensis im Archiv von flickr.com Berühmtheit zu erlangen.

Ich will den Beitrag von Marcus nicht mit anderen Worten wiederholen, sondern ein bisschen erweitern. Als ich vor wenigen Tagen mit einem Freund im Foreign Correspondents Club in Phnom Phen ein leckeres Angkor-Bierchen vom Fass schlürfte, wurde ich von ihm mit Nathan Horton bekannt gemacht. Nathan ist Brite und seit über 20 Jahren Fotograf und Weltreisender. Vor ein paar Jahren siedelte er nach Phnom Phen und organisiert seither Touren außergewöhnlicher Art: geführte Fotoexkursionen. Damit diese Trips aber nicht in planlosem Voyeurismus und Geknipse enden, beginnt jeder von Nathans Ausflügen mit ein paar Unterrichtsstunden. Die Intensität dieser Schulung richtet sich in erster Linie nach dem technischen Vorwissen seiner Gäste und natürlich auch am zeitlichen Ausmaß und dem Ort der Exkursion.

Wer höflich fragt und sich für die Kultur der Menschen interessiert, wird selten mit dem Wunsch eines Fotos abgewiesen.
Wer höflich fragt und sich für die Kultur der Menschen interessiert, wird selten mit dem Wunsch eines Fotos abgewiesen.

Nathan verfolgt mit seinen Fototouren drei Ziele: Er möchte die Hobbyfotografen bild- und kameratechnisch weiterbilden, die Freude am Fotografieren  fördern und seine Gäste in die Ethik der Tourismusfotografie einführen. „Die erste Aufgabe ist manchmal keine einfache.“ erklärte mir der Kameraprofi, „Viele Leute kommen mit teuren digitalen Spiegelreflexkameras bei mir an und kennen aber den Unterschied zwischen Blende und Belichtungszeit nicht. Ich versuche dann, es nicht zu kompliziert zu machen, damit niemand die Freude am Fotografieren verliert. Eine gewisse Basis technischen Verständnisses ist aber unerlässlich. Wer seine Kamera besser beherrscht, wird auch mehr Spaß am Fotografieren haben.“ erklärte mir der Profifotograf. Ich kann nur zustimmen.

Genauso wichtig ist Nathan Horton, dass sich seine Fotogäste auch mit dem Warum und Wofür der touristischen Fotografie beschäftigen. Er stellt dabei drei Fragen zur Diskussion:

  • Warum bist du Tourist und fotografierst?
  • Warum machst du Aufnahmen von fremden Menschen?
  • Was kannst du mit deinen Bildern bewirken?

Der nächste Schritt in seinem fotografischen Kurzlehrgang ist die Thematisierung der Aufnahmen. „Es bringt dir viel mehr, wenn ein paar Themen die Leitfäden deiner Reise bilden, nicht nur hunderte ziellos gemachte Schnappschüsse. Die interessieren daheim ohnehin keinen.“ Nathan ist ziemlich unverhohlen mit seinen Worten, aber ich muss ihm letztlich beipflichten. Kunterbunt zur Schau gestellte Bilder lösen bei Verwandten und Freunden spätestens nach Aufnahme Nr. 314 sattes Gähnen aus… Wer bei Bild 700 noch nicht schläft ist entweder besonders höflich oder hat in den Pausen ein paar Tassen schwarzen Kaffee getrunken.

„Jeder Tourist sollte neben der Freude an der Sache auch immer den Zweck seines fotografischen Handelns im Bewusstsein haben. “ sagt Nathan und schließt an die oben angeführten Grundfragen des touristischen Fotografierens an. Für ihn ist es nicht genug, das OK der Gemüsehändlerin am Frischmarkt zu bekommen, um dann ein tolles Bild im Kasten zu haben. Der Zweck ist für Nathan erst dann wirklich erfüllt, wenn die Bilder auch die  Aufmerksamkeit Dritter erweckt haben. „Wie soll das gehen, wenn ich keine Möglichkeit habe, meine Bilder zu publizieren?“ fragte ich Nathan daraufhin. „Kein Problem! Es reicht zunächst mal schon, wenn du deine Verwandten begeistern kannst. Glaub nicht, dass das so einfach ist.“ Oh ja, das weiß ich nur zu gut, seit ich versucht habe, einem Onkel von mir 400 Aufnahmen der syrischen Wüste schmackhaft zu machen. „Wenige ausgewählte Fotos können mit den richtigen begleitenden Worten eine lehrreiche Geschichte für die Betrachter bilden. Wenn diese Geschichte dann deren Bewusstsein erreicht und sie zum Denken bewegt, hast du schon einen großen Schritt getan. Deine Bilder sind von nun an mehr als bloß Schnappschüsse, die nur dich interessieren.“

Wer ohne Fragen fotografiert darf sich über schmollende Gesichter nicht wundern...
Wer ohne Fragen fotografiert darf sich über schmollende Gesichter nicht wundern…

Nathan Hortons tiefgründige Aussagen zur ethisch-verantwortungs-vollen Fotografie beziehen sich hauptsächlich auf das Fotografieren von Menschen – einen Sonnenuntergang kann man ja auch schwer entblößen, ausgenommen man bindet fremde Personen in den Motivausschnitt ein.
„Bilder von Bettlern, Kriegsopfern, hübschen lokalen Frauen und so weiter sind Voyeurismus, solange sie nur auf deiner Festplatte gespeichert sind oder du sie mit dem Trophäen-Stolz eines sensationshungrigen Fotoschützen präsentierst. Das ist nicht Ziel meiner Fototrips. Ich will Ethik und Ästhetik in der Fotografie verbinden.“ Nathan ist sehr forsch, aber immer bestrebt, dem Fotografieren einen tieferen, positiven Sinn zu geben und damit auch die Freude am Hobby zu nähren. Wer an seinen Touren teilnimmt lernt Fototheorie, Fotopraxis und zusätzlich noch fremde Kulturen kennen. Sicher aber nicht Sensationsfotografie.

Die Idee von Nathans geführten Fototouren am Mekong ist eine feine Sache. Sie hat auch für mich bereichernden Wert. Es ist eine weitere großartige Möglichkeit den gefährdeten Fluss als eigenständige Destination zu vermarkten. Als positiver Nebeneffekt werden auch wunderbare Impressionen aus dem Leben und den Traditionen der Menschen entlang des Stromes in unsere westlich orientierte Welt transportiert. Viele von Nathans Gästen haben nach ihren Touren Bilder und Texte im Internet veröffentlicht und helfen dadurch mit, den Mekong bekannter zu machen. Selbst wenn einzelne Blogs und Interneteinträge nur geringfügige Verbreitung erreichen, in Summe liefern sie einen wichtigen Beitrag zur Sache.

Wer mehr über Nathan Hortons Arbeit wissen möchte und seine tollen Aufnahmen bestaunen will, hier gehts lang: www.nathanhortonphotography.com

2 Gedanken zu „ASA, Blende, Leitzahl und Co.

  1. Um die Gratwanderung zwischen “Objekte abschießen” und “Menschen bzw. Situationen festhalten” drehte sich auch eine interessante Diskussion im Facebook Responsible Photography policies for travellers http://www.facebook.com/topic.php?uid=3131070987&topic=4021

    Auch Planeta.com widmet sich ausgiebig dem Thema Responsible Travel Photography
    http://www.planeta.com/ecotravel/tour/photos.html

    Noch ein bisscher breiter fasst der Artikel Fair Trade in Travel Writing and Photography das Thema.
    http://www.planeta.com/ecotravel/period/fairtrade.html

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